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App

Eine Anti-Corona-App wird derzeit viel diskutiert. Deutschlands Digital-und Datenexperten sprechen sich in deutlicher Mehrheit für die Tracking-App aus.

Die Agentur Frau Wenk hat ad hoc ein Meinungsbild unter 39 deutschen Digital- und Datenexperten zum Thema eingeholt und sie gefragt: Was wiegt höher, der individuelle Datenschutz oder das Wohl der Gesellschaft?

Gut zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) befürworten die Corona-App auf freiwilliger Basis, weitere 26 Prozent sind sogar der Meinung, dass diese zur Pflicht werden sollte. Lediglich einer der befragten Experten gab zu bedenken, dass eine solche App die Ängste der Bevölkerung vor dem Virus zusätzlich befeuern könnte. Fast alle Befragten (97 Prozent) würden die Anti-Corona-App privat installieren und nutzen.

Eine europäische Lösung für eine App steht nun offenbar kurz vor dem Start. Chris Boos, einer der führenden Forscher des Projektes PEPP-PT kündigte gegenüber der dpa eine entsprechende Software für Mitte April an. PEPP-PT ist eine Plattform, die in Corona-Apps integriert werden soll und technisch auf der Bluetooth-Technologie andere Handys in unmittelbarer Nähe trackt.

In Singapur kommt eine entsprechende Anti-Corona-App bereits erfolgreich zum Einsatz. Sie hat gezeigt, dass eine solche Lösung dabei helfen kann, schneller Kontaktpersonen von Infizierten zu ermitteln und so die Verbreitung des Virus weiter einzudämmen.

Öffnet eine Corona-App datengetriebenen Geschäftsmodellen die Tür?

Eine weitere Frage, der die Agentur Frau Wenk in ihrer Umfrage nachgegangen ist, ist, wie es nach Corona wohl weitergeht und ob eine Corona-App auch ein Türöffner für mehr Akzeptanz von datengetriebenen Geschäftsmodellen sein kann. Das meinen die Digitalexperten:

Alexander Mühl, Chief Digital Officer bei TBWA\ Germany (Bild: Jürgen Schulzki)

Alexander Mühl, Chief Digital Officer bei TBWA\ Germany: „Meiner Einschätzung nach hatten solche Geschäftsmodelle in der deutschen Öffentlichkeit vor allem ein Problem: Sie stießen auf eine intuitiv ablehnende Haltung, oft gespeist aus eher diffusen Ängsten. Die Corona-Krise hat ein Gefühl der Dringlichkeit geschaffen, das uns datengetriebene Maßnahmen zuerst nach dem Kriterium der Nützlichkeit bewerten lässt. Und dann erst bei der Frage der Umsetzung die unverändert wichtigen Datenschutzaspekte in den Blick nimmt. Und ich denke und hoffe, dass uns in der Zukunft diese umgekehrte Reihenfolge bei der Bewertung  erhalten bleibt.“

Dennis Wagner, CTO bei Denton Systems: „Ich denke nicht, dass eine Corona-App ein Türöffner für datengetriebene Geschäftsmodelle sein wird, eher ein Puzzleteil eines großen Ganzen. Letztlich muss daran gearbeitet werden, wie das Thema Datenschutz den Menschen präsentiert wird. Die Medien und Politik forcieren nur Kapselung der Daten und die Angst der Leute, diese für gewisse Zwecke, wie Forschung und Wissenschaft freizugeben. Es mangelt ihr eher an der Kommunikation und Aufklärung, was Daten bedeuten, wie sie verarbeitet werden. Keine Forschungseinrichtung verwendet Klartext-Informationen für Studien. Letztlich muss den Leuten gezeigt werden wie wichtig das Teilen von Daten ist und das diese auch sicher und datenschutzkonform verarbeitet werden. Ausnahmen gibt es immer, siehe Facebook, aber die Leute, die sich aufregen sind doch trotzdem bei Facebook.“

Markus Schindler, Head of Sales & Marketing bei hurra.com

Markus Schindler, Head of Sales & Marketing bei hurra.com: „Unsere Gesellschaft hat einen gewissen Hang zu irrationaler Panik vor schnell eintretenden Veränderungen: Dies gilt für die aktuelle Corona-Pandemie wie auch für die zunehmende Digitalisierung mit all Ihren Datenschutzfragen. Dabei dominiert häufig Angst und Unsicherheit. Jeder Fortschritt und jede Veränderung bringt immer beides mit sich — eine gewisse Chance, aber auch ein gewisses Risiko! Dies gilt es sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Anstelle mit überzogenen, einseitigen Horror-Meldungen zu dramatisieren und zu manipulieren, wäre eine sachliche, gegenüberstellende Aufklärung der Bevölkerung und ein konsequentes, nachvollziehbares Handeln nach klaren Wertvorstellungen sicher zielführender. Dann könnte sich jeder intelligente Bürger frei entscheiden, den bestmöglichen Weg freiwillig mit zu tragen. Egal, um was es gerade geht!“

René Schibol, Business Development Manager, getaline: „Der persönliche Datenschutz und Bürgerrechte sind gleichwertige Rechtsgüter. Es gilt im Fall abzuwägen, welches Rechtsgut priorisiert werden muss. Im Falle einer Pandemie wie bei Corona hat meines Erachtens Volksgesundheit klar Priorität. Der Datenschutz mit der letzten Novellierung hat viele Stilblüten getrieben. Der grundsätzliche Gedanke war prima und angemessen, jedoch hat es an der praktischen Umsetzung gemangelt. Wenn alte weiße Männer ohne Ahnung von Digitalisierung Gesetze hierzu machen, dann kommt sowas bei raus! Corona deckt Mängel unseres Systems auf. So auch beim Datenschutz. Mal sehen, welche Änderungen die Corona Krise alles nach sich ziehen wird!“

Björn Köcher, Consultant, Speaker und Autor, Björn Köcher Communications: „Datengetriebene Geschäftsmodelle haben in meinen Augen nur eine Chance, wenn sie weder unter dem direkten Einfluss von rein privatwirtschaftlichen Unternehmen noch von staatlichen Behörden stehen. Das geht in meinen Augen nur über Gemeinwohlorganisationen oder genossenschaftliche Modelle, bei denen Einzelinteressen von Unternehmern, Investoren oder der Politik ausgeschlossen sind. Gegebenenfalls müssen wir also eben nicht nur nach den datengetriebenen Geschäftsmodellen suchen und legitimieren, sondern zuerst nach passenden Organisationsformen.“

Johannes Paysen, Country Manager Germany, GroundTruth

Johannes Paysen, Country Manager Germany, GroundTruth: „Natürlich erfordern außergewöhnliche Zeiten durchaus außergewöhnliche Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen oder Homeoffice für ganze Unternehmen. Dennoch sollten Datenschutz und Bürgerrechte in sinnvollem Verhältnis zur Situation stehen. Ich halte es für klüger, bereits vorhandene Apps wie Katwarn, um für die Krise notwendige Funktionalitäten zu erweitern. Grundvoraussetzung ist natürlich immer ein hohes Maß an Datensicherheit. Die aktuelle Diskussion um das Teilen und Nutzen von Standortdaten zeigt einmal mehr, dass Daten und Tracking-Technologie auch einen positiven Beitrag für die Allgemeinheit leisten kann. Wir von GroundTruth arbeiten seit Jahren mit Non-Profit-Organisationen wie Amber Alerts zusammen, und setzen Standortdaten so für einen guten Zweck ein. Weitere Maßnahmen sind bereits in Planung.“

Harald R. Fortmann, Executive Partner five14 (Bild: FrankWartenberg)

Harald R. Fortmann, Executive Partner five14: „In einer Welt, in der der Menschen freiwillig und ohne nachzudenken ihre Daten mit geringem Nutzwert Unternehmen wie Facebook zur Verfügung stellen, sollte ein großes Verständnis für eine solche Lösung aufgebracht werden, die Leben retten kann. Wichtig ist aus meiner Sicht, wer hier der Herr über die Daten ist und dass sie weitestgehend anonymisierten und eben nur im Notfall zu nutzen sind. Geltender Datenschutz unter Berücksichtigung der COVID-19 Situation sollte ein höchstmögliches Maß an Datensicherheit für den User bringen. Die App sollte über die Netzbetreiber verpflichtend auf die Smartphones installiert werden wo dies technisch möglich ist.“

Markus Oeller, Gründer und Geschäftsführer MSM.digital: „Daten und damit verbunden Geschäftsmodelle sind die Zukunft. Auf der einen Seite möchte jeder die Vorteile der Personalisierung und Digitalisierung nutzen, auf der anderen Seite scheuen wir uns vor Transparenz. Die Frage ist am Ende, wer hat Zugriff auf welche Daten.“

Uwe-Michael Sinn, Geschäftsführer, Meister Lampe und Freunde:„Natürlich ist Datenschutz wichtig, und die Bedenken sind (zumindest in Teilen) nachvollziehbar. Aber jedes Grundrecht muss eben auch gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Und da ist z.B. die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art 2), Ausübung des Glaubens z.B. durch Gottesdienste (Art 4 GG), Versammlungsfreiheit (Art 8 GG), Bewegungsfreiheit (Art 11 GG), das Recht des eingerichteten Gewerbebetriebes (Art 12 GG), generelle Eigentumsrechte (Art 12 GG) …. Die alle werden massiv und mit weitgehender Zustimmung der Allgemeinheit zurecht eingeschränkt. Zu sagen, der Datenschutz ist sakrosant, wird der gesamten Situation nicht gerecht. Natürlich müssen Einschränkungen des Datenschutzes strikt auf die Dauer der Krise beschränkt sein.“

Andreas Fruth, Geschäftsführer der Global Savings Group

Andreas Fruth, Geschäftsführer der Global Savings Group: „Ich denke in Deutschland würde eine Corona-App nach Ende der Pandemie wieder ‚zurückgenommen ‘ werden und ist damit kein Türöffner für weitere datengetriebene Geschäftsmodelle. Auch wenn danach die Schwelle reduziert ist, weil man einmal eine Ausnahme gemacht hat, würde die neue Schwelle dann heißen ‚Man darf sowas generell nicht, außer für globale Pandemien‘. Aber dies hängt auch davon ab, was so eine App können soll und was nicht. Pandemie-App ist nicht gleich Pandemie-App.“

Dr. Helmut Leopold, Chief Insights Officer, ENSO eCommerce: „Das Sammeln und Nutzen von Daten ist für die allermeisten Menschen nicht das Problem, sondern die Intransparenz und fehlende Selbstbestimmung. Datengetriebene Geschäftsmodelle werden daher nach Corona wie auch vor Corona nur dann funktionieren, wenn sie sich dem Menschen erklären und die Datenhoheit beim Menschen lassen.“

 

Die Agentur Frau Wenk ist eine Hamburger Kommunikationsberatung für Internetunternehmen und Plattformen und befragt regelmäßig ein Netzwerk von Führungskräften aus den Digitalen Wirtschaft zu aktuellen Themen.

(Beitragsbild: Klaus Knuffmann)