Strategisches Networking: Von Männern lernen – den eigenen Weg gehen

Karriere entsteht nicht allein durch Leistung, sondern durch die richtigen Beziehungen. Männer nutzen ihre Netzwerke oft wie selbstverständlich als Karriere-Turbo. Frauen dagegen bauen ihre Netzwerke häufig weniger gezielt auf – und lassen dadurch Chancen liegen.

 

Barbara von Graeve zeigt im Interview, welche Spielregeln im „männlichen Netzwerkstil“ gelten, wie Frauen diese für ihre berufliche Entwicklung klug nutzen können und warum Authentizität dabei der wichtigste Schlüssel bleibt.

 

Das war auch Thema bei der CrossCluster-Veranstaltung am 14. Oktober. Der ganztägige Workshop exklusiv für Frauen stellte genau diese Frage ins Zentrum: Wie nutze ich strategisches Networking als Werkzeug für berufliches Wachstum, neue Karrierechancen und echte Verbindungen?

 

Männer setzen Netzwerke oft ganz selbstverständlich für Karriereschritte ein. Welche konkreten Taktiken können Frauen übernehmen, um beruflich schneller in Schlüsselpositionen oder spannende Projekte zu kommen?

Frauen vernetzen sich häufig auf der gleichen hierarchischen Ebene, während Männer sich tendenziell eher mit Personen auf beruflich höheren Ebenen vernetzen. Mit Blick auf die Karriere sind diese strategischen Kontakte viel sinnvoller, weil ich so eine deutlich höhere Sichtbarkeit bei den Personen entwickle, die spannende Projekte und interessante Kontakte zu bieten haben. 

 

Netzwerke folgen häufig unsichtbaren Regeln – gerade in männerdominierten Branchen. Welche dieser „Spielregeln“ sollte Frau unbedingt verstehen, um auf Augenhöhe mitzuspielen und im Job nicht übersehen zu werden?

Der Klassiker: Darauf zu warten, dass meine sehr guten Leistungen bemerkt werden – das wird ziemlich sicher nicht passieren. Ich muss also dafür sorgen, dass ich bei den relevanten Personen sichtbar werde. Das bedeutet ganz konkret, Chancen zu nutzen und selbst zu schaffen, auch wenn das eigentlich außerhalb meiner Komfortzone liegt. Zwei Beispiele: Wenn ich eine tolle Präsentation erstellt habe, sollte ich alles daran setzen, die Inhalte auch selbst zu präsentieren. Viele Vorgesetzte sind sehr offen dafür, die Projektverantwortlichen

mit in die Führungsgremien zu nehmen und ihr Team glänzen zu lassen. Wenn ich in einem Meeting sitze, sollte ich auf jeden Fall mindestes einen relevanten Wortbeitrag liefern, um mit meiner Kompetenz zu punkten.

 

Fachwissen allein reicht nicht – Karrierechancen entstehen über Beziehungen. Wie können Frauen Netzwerken gezielt als strategisches Instrument nutzen, ohne dass es berechnend wirkt?

Netzwerken ist immer ein Geben und ein Nehmen. Ein belastbares Netzwerk aufzubauen, kostet Zeit und sollte frühzeitig erfolgen. Ein guter erster Schritt ist es, eine Führungskraft oder Person, die man gerne kennenlernen möchte, um einen Rat, ihre Expertise zu bitten. Das kann zum Beispiel so aussehen: „Ich stehe gerade vor Entscheidung A / B und Ihre Einschätzung dazu wäre eine großartige Hilfe für mich. Ich würde mich freuen, wenn Sie kommende Woche maximal 15 Minuten Zeit für einen Call mit mir hätten.“ Schick nach dem Gespräch ein spezifisches Follow-up, in dem du kurz erklärst, wie du den Rat umgesetzt hast und welches Ergebnis erzielt wurde. Wichtig am Schluss: „Ich stehe gerne zur Verfügung, falls ich Ihnen im Gegenzug mit aktuellen Insights oder meiner Perspektive in [mein Spezialgebiet, z.B. Social Media Trends] behilflich sein kann.“ Das ist der entscheidende Schritt, um aus einer einmaligen Beratungsanfrage eine echte, wechselseitige Netzwerk-Beziehung zu machen.

 

Authentizität ist Frauen besonders wichtig – bei Männern ist es oft die Strategie. Wie gelingt es, beides klug zu verbinden und so glaubwürdig wie wirksam aufzutreten?

Eine empathische Neugier im Gespräch zu zeigen, fällt vielen Frauen leicht. Dem Gegenüber Fragen zu stellen, Interesse zu zeigen und die Person so besser kennenzulernen ist häufig einfacher, als sich selbst zu positionieren. Daher ist das ein guter erster Schritt für den Kontaktaufbau. Was man jedoch keinesfalls vergessen sollte, ist die eigene Selbstdarstellung. Was mir dabei extrem geholfen hat, ist meinen eigenen Elevator Pitch für verschiedene Zielgruppen parat zu haben. Wenn ich in einem Gespräch mit potenziellen Kunden bin, hebe ich andere Aspekte über mich hervor, als wenn ich mich in einem Frauen-Netzwerk vorstelle. Ich bleibe aber immer authentisch.

 

Männer fragen häufig direkt nach Unterstützung, Kontakten oder Empfehlungen. Welche Art, um Hilfe oder einen Kontakt zu bitten, funktioniert für Frauen im Berufsalltag am besten?

Das kommt natürlich auf den Reifegrad der Beziehung an. Kenne ich die Person, die ich um etwas bitten möchte, bereits länger, kann ich direkt um einen Gefallen bitten. Das fällt vielen Frauen nicht leicht, mir früher auch nicht. Was mir geholfen hat:

  1. Wenn ich um etwas bitte, ist ein „Nein“ immer o.k. Das hat nichts mit mir persönlich zu tun.
  2. Nach dem Gespräch, in dem ich meine Bitte geäußert habe, sage ich immer „Und wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann, lass es mich bitte wissen.“ Damit gebe ich zu erkennen, dass ich das Prinzip von Geben und Nehmen verstanden habe und es ernst nehme.
  3. Je nach Art und Größe des Gefallens ist ein angemessenes Dankeschön angebracht. Das zeigt meine Wertschätzung für den Einsatz.

 

Netzwerke entstehen oft in informellen Momenten: beim Lunch, beim Sport oder im Feierabendgespräch. Wie können Frauen diese Gelegenheiten nutzen, ohne sich fehl am Platz zu fühlen?

Ich bin ein großer Fan von gezielten Netzwerk-Momenten. Als ich in einem großen deutschen Verlagshaus gearbeitet habe, habe ich mich spätestens alle zwei Wochen

mit einem Kollegen oder einer Kollegin zum Lunch in der Kantine verabredet. Entweder mit einer Führungskraft oder mit einer Person, die einen Informations-Knotenpunkt darstellte. So konnte ich mich regelmäßig gezielt austauschen, auf den neuesten Stand bringen und Anknüpfungspunkte finden. Viele Unternehmen haben Aktivitäten eingeführt wie „Never Lunch alone“, die solchen bereichsübergreifenden Austausch gezielt fördern. Nutzt diese Möglichkeiten!

 

Viele Frauen tun sich schwer mit Selbstvermarktung im Networking.
Welche Schritte helfen, die eigene Zurückhaltung zu überwinden und Netzwerken als Investition in die eigene Karriere zu sehen?

Ich selbst habe im Laufe der Zeit – und nach vielen Momenten, in denen ich mich über mich selbst geärgert habe – eine Portion Bockigkeit entwickelt. Frauen, die sich beruflich weiterentwickeln wollen, müssen die Chancen nutzen! Dazu ist im ersten Schritt wichtig zu wissen, für welche Themen ich stehen möchte – denn ich spreche beim Personal Branding nicht über mich, sondern über mein Thema, mit dem ich mich positionieren will. Und der zweite Schritt ist, zu identifizieren, welche Personen in meiner Organisation und in meinem Umfeld davon wissen müssen. Dann identifiziere ich die Kanäle, über die ich diese Personen erreiche. Und das kann alles sein vom informellen Lunch bis zum Vorstandsmeeting, von Social Media bis zum Impulsvortrag im Business Club. Es ist mir sehr bewusst, dass das für viele ein Riesenschritt aus der Komfortzone bedeutet. Für mich war es das auch. Dieser Schritt ist aber alternativlos, wenn man nicht zusehen möchte, wie ein junger männlicher Kollege nach dem nächsten die Beförderung bekommt, die man selbst gerne hätte. 

 

Wie bewegt man sich als Frau gut in männerdominierten Netzwerken bzw. wie bekommt man Zutritt zu diesen Netzwerken und in welchen Netzwerken bist du selbst gerne unterwegs und wie netzwerkst du persönlich. 

Viele traditionelle Business Clubs haben verstanden, dass sie sich nur dann zukunftsfähig aufstellen, wenn sie diverser werden – also auch gezielt Frauen in ihre Reihen aufnehmen. Ein Türöffner ist hilfreich bzw. manchmal sogar notwendig als Empfehlender für ein Kennenlernen mit dem Netzwerk. Wenn ich auf einer männerdominierten Netzwerkveranstaltung bin, nehme ich mir vor, drei Personen kennenzulernen. Die erste spreche ich gleich beim Ankommen an, stelle mich als neu in diesem Netzwerk vor und bitte um ihre Perspektive auf das Netzwerk – Beweggründe für die Mitgliedschaft, etc. Dann erzähle ich selbstverständlich auch etwas über mich und frage, wen ich heute unbedingt noch kennenlernen sollte und ob mein Gesprächspartner mich eventuell kurz dieser Person vorstellen könnte. Dieses Vorgehen funktioniert in den allermeisten Fällen und erleichtert den Einstieg ungemein. 

Ich selbst bin seit Jahren Mitglied in einem bundesweiten branchenübergreifenden Netzwerk, mehr lässt meine Zeit nicht zu. Da ich allerdings täglich beruflich netzwerke, komme ich nicht aus der Übung.

 

Zum Abschluss: Wenn du Frauen nur einen Leitgedanken für ihre Netzwerkarbeit im Berufsleben mitgeben dürften – welcher wäre es?

Das Wertvollste, was wir haben, ist Zeit. Überlegt euch deshalb gut, was euer persönlicher, ganz spezifischer Grund ist, ein Netzwerk aufzubauen. Ein professionelles Netzwerk muss am Ende des Tages einen konkreten Mehrwert haben, andernfalls verbringe ich meine Zeit lieber mit Familie und Freunden. 

 

 

 

Über Barbara von Graeve

 

Barbara von Graeve ist Principal bei FKi– The Global Consulting House for Diversity. Mit ihrer profunden Expertise in den Bereichen Unternehmenskultur, Transformation und Inklusion unterstützt sie Organisationen in der Strategieentwicklung und Operationalisierung.

Als Diplom-Soziologin verbindet sie analytisches Denken mit umfassender praktischer Konzern-Erfahrung. Ihr Fokus liegt auf der Betreuung von Großkundenprojekten, individuellen Analysen sowie der Durchführung von wirkungsvollen Vorträgen und Workshops.

Vor ihrer Tätigkeit beim FKi war Barbara von Graeve in leitenden Positionen in Agenturen und Medienhäusern tätig, viele Jahre davon im Süddeutschen Verlag. Barbara von Graeve lebt und arbeitet in Hamburg.

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Barbara von Graeve