Clusterarbeit und ihre Chancen

Du warst auf der vergangenen go-Cluster Zukunftskonferenz. Warum sind Cluster für die regionale Entwicklung – insbesondere in Hamburg und Norddeutschland – so zentral und wichtig? Was waren deine Erkenntnisse?

Cluster sind für die regionale Entwicklung in Hamburg deshalb so zentral, weil sie als Innovationsmotoren wirken, regionale Stärken bündeln und konkrete Brücken zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bauen.

Auf der go-Cluster Zukunftskonferenz wurde sehr deutlich: In einer Zeit großer Umbrüche – von Klimawandel über Digitalisierung (insbesondere den Einsatz von KI) bis hin zu geopolitischen Spannungen – braucht es koordinierte, regionale Innovationsökosysteme, die flexibel, resilient und zugleich kooperationsfähig sind. Cluster bieten genau dafür die richtige Struktur. Sie ermöglichen vertrauensvolle Netzwerke, bringen unterschiedlichste Akteure und Akteurinnen zusammen und schaffen Raum für branchenübergreifende Lösungen.

Eine meiner zentralen Erkenntnisse der go-Cluster Zukunftskonferenz war, dass die Clusterarbeit von morgen weniger in Branchen, sondern stärker in Missionen und Herausforderungen denkt – etwa „Klimaneutralität“, „Versorgungssicherheit“ oder „digitale Souveränität“. Dafür braucht es eine neue Form der Cross-Cluster-Kooperation, bei der Hamburg durch seine sektorale Vielfalt besonders gut aufgestellt ist. Cluster sind also keine „isolierten Inseln“, sondern Plattformen für regionale Zukunftsgestaltung und gerade deshalb so wichtig für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Entwicklung in unserer Region.

Was bedeutet für Dich „Zukunft wird gestaltet“ ganz konkret im Clusterkontext?

„Zukunft wird gestaltet“ heißt für mich, dass Cluster nicht nur auf aktuelle Herausforderungen reagieren, sondern aktiv neue Themen setzen und Entwicklungen vorantreiben. Im Clusterkontext bedeutet das, gemeinsam mit Partnern innovative Lösungen zu entwickeln, Trends frühzeitig zu erkennen und Pilotprojekte zu initiieren, die als Blaupause für andere dienen können. Es geht darum, Räume für Experimente zu schaffen, neue Technologien zu erproben und gesellschaftliche Veränderungen mitzugestalten.

Welche konkreten Synergien siehst du zwischen Hamburger Clustern und z.B. Schleswig-Holstein?

Hamburg und Schleswig-Holstein arbeiten in bestimmten Themenbereichen gezielt zusammen, etwa in den Bereichen Maritime Wirtschaft, Erneuerbare Energien oder den Life Sciences. Durch die enge Zusammenarbeit können Kompetenzen gebündelt und Innovationsprojekte grenzübergreifend umgesetzt werden. Ein Beispiel ist die Kooperation im Bereich Wasserstoffwirtschaft das Norddeutschen Reallabors (NRL), im Rahmen dessen beide Regionen ihre Stärken einbringen und gemeinsam an nachhaltigen Lösungen arbeiten.

 

Was verstehst du unter „Coopetition“ im Clusterkontext – und wie gelingt das in der Praxis?

„Coopetition“ beschreibt grundsätzlich die gleichzeitige Kooperation und Konkurrenz zwischen Unternehmen oder Organisationen. Im Clusterkontext bedeutet das, dass Wettbewerber in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten, um gemeinsam in spezifischen Themenfeldern Innovationen voranzutreiben, Standards zu setzen oder Märkte zu erschließen – ohne dabei ihre individuelle Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. In der Hamburger Praxis gelingt das durch moderierte Plattformen und neutrale Clusterorganisationen, die als Vermittler auftreten und gemeinsame Interessen identifizieren. Darüber hinaus durch transparente Zieldefinitionen, die klare Abgrenzung von Kooperations- und Wettbewerbsbereichen sowie vertrauensvolle Kommunikation und den Aufbau von persönlichen Beziehungen, etwa durch regelmäßige Cluster-Events, Innovationsworkshops oder gemeinsame Förderprojekte.

 

Inwiefern könnten Reallabore in Hamburg als Innovationsmotor dienen?

Reallabore bieten die Möglichkeit, innovative Technologien und Geschäftsmodelle unter realen Bedingungen zu testen. In Hamburg könnten sie als Innovationsmotor dienen, indem sie Unternehmen, Startups und Forschungseinrichtungen einen geschützten Raum für Experimente bieten. So lassen sich neue Lösungen schneller validieren und in die Praxis überführen – etwa im Bereich urbaner Mobilitätslösungen, nachhaltiger Stadtentwicklung, digitaler Gesundheitsversorgung, smarter Finanzlösungen oder zukunftsfähiger Ernährungssysteme.

 

Welche Voraussetzungen braucht es, damit solche Reallabore nachhaltig Wirkung zeigen?

Wichtig sind klare rechtliche Rahmenbedingungen, eine enge Einbindung aller relevanten Akteure und Akteurinnen und eine offene Fehlerkultur. Zudem braucht es eine nachhaltige Finanzierung, transparente Evaluationsmechanismen und die Bereitschaft, Ergebnisse zu teilen und weiterzuentwickeln. Nur so können Reallabore langfristig Impulse für die Innovationslandschaft geben.

 

Hast du ein konkretes Beispiel, wo ein Reallabor bereits erfolgreich Zukunft gestaltet hat?

Ein konkretes Beispiel ist der homePORT Hamburg der Hamburg Port Authority (HPA). Als Innovationscampus und Reallabor im Hafen bietet homePORT Unternehmen, Startups und Forschung die Möglichkeit, Zukunftstechnologien wie autonome Schiffe, Drohnen und Robotik praxisnah zu erproben und so die Digitalisierung der maritimen Wirtschaft voranzutreiben.

 

Welche Rolle spielt KI heute schon in norddeutschen Clustern – z.B. im Bereich Gesundheit oder Mobilität?

KI ist in vielen norddeutschen Clustern bereits ein zentrales Innovationsthema. Im Gesundheitsbereich werden KI-gestützte Diagnosesysteme entwickelt, in der Mobilität helfen KI-Anwendungen bei der Verkehrssteuerung oder der Optimierung von Lieferketten. Cluster bieten hier die Plattform, um Know-how zu bündeln, Anwendungsfälle zu identifizieren und gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln.

Wie lassen sich ethische und strukturelle Fragen rund um KI in Clusterarbeit integrieren?

Ethische und strukturelle Fragen sollten von Anfang an in Innovationsprozesse eingebunden werden. Das gelingt durch (interdisziplinäre) Arbeitsgruppen, die ethische Leitlinien erarbeiten, durch die Einbindung von Experten und Expertinnen aus Ethik, Gesetzgebung und Gesellschaft sowie durch transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern. Cluster können hier als Transmitter und Impulsgeber agieren.

 

Was kann KI dazu beitragen, den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft menschzentriert zu gestalten?

KI kann meines Erachtens repetitive Aufgaben automatisieren und so Freiräume für kreative und zwischenmenschliche Tätigkeiten schaffen. Sie kann helfen, individuelle Bedürfnisse besser zu erkennen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Voraussetzung ist, dass KI verantwortungsvoll eingesetzt wird und der Mensch im Mittelpunkt bleibt – etwa durch erklärbare Algorithmen und partizipative Entwicklungsprozesse.

Welche Haltung braucht es, um Mut zur Veränderung in Organisationen zu verankern?

Es braucht eine offene Haltung, die Fehler als Chance begreift und Veränderungen als kontinuierlichen Prozess versteht. Führungskräfte sollten als Vorbilder agieren, Experimentierräume schaffen und Erfolge wie Misserfolge transparent kommunizieren. Eine Kultur des Vertrauens und der Wertschätzung ist entscheidend, um Mut zur Veränderung zu fördern.

Was unterscheidet die Clusterarbeit in Hamburg von anderen Regionen – z.B. in Bezug auf den Fokus auf Digitalisierung, New Work oder Nachhaltigkeit?

Die Basis der Clusterarbeit in Hamburg liegt in der Regionalen Innovationsstrategie (RIS) der Stadt Hamburg begründet. Die RIS legt dabei einen klaren Schwerpunkt auf die Themen Digitalisierung und KI, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Gesundheit und Life Sciences, Mobilität und Logistik, Material- und Werkstoffinnovationen, Kreativwirtschaft und Medien und New Work sowie gesellschaftliche Innovationen. Gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimaschutz und soziale Teilhabe werden gezielt in die Clusteraktivitäten integriert. Durch die Offenheit für neue Kooperationsformate und die internationale Ausrichtung der Cluster unterstützt die RIS eine dynamische, zukunftsorientierte und international ausgerichtete Innovationslandschaft in Hamburg.

 

Welche Chancen siehst du für Hamburger Unternehmen – insbesondere den Mittelstand – durch die aktive Beteiligung an der Clusterarbeit?

Die aktive Beteiligung an der Clusterarbeit bietet Hamburger Unternehmen, insbesondere dem Mittelstand, zahlreiche Chancen: Die Unternehmen erhalten Zugang zu wertvollen Netzwerken und profitieren vom Austausch mit Akteuren und  aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Dies erleichtert den Zugang zu aktuellem Know-how, neuen Technologien und Best Practices. Gemeinsame Projekte und Kooperationen innerhalb der Cluster f&ouml

interview

Dr. Anna Vogel