Transformation - digital, strukturell & kulturell

Stefano Viani ist einer der drei Gründer von Blackbit, einer Digitalagentur in Hamburg, Berlin, Göttingen und Kiew. Was 1989 als WG-Start-Up in der Druckvorstufe begann, ist heute eine agile Agentur für digitalen Handel mit rund 70 Mitarbeitenden. Gemeinsam mit seinem Team transformiert Stefano das Unternehmen - nicht nur digital, sondern auch strukturell und kulturell. Inspiriert von der Purpose Economy in der Schweiz verflogt blackbit einen mutigen Weg: flache Hierarchien, ein Managementboard aus Mitarbeitenden - und bald auch ein Modell, bei dem die Firma den Mitarbeitenden gehört.

Wir freuen uns über die spannenden Einblicke der Transformation und verfolgen gespannt die weitere Entwicklung.

 

Was treibt euch heute an, das Unternehmen umzubauen und „neu zu denken“?

Wir wollten wachsen, ohne zu verwalten. Unser Ziel war es, unsere flachen Strukturen zu behalten und trotzdem effizienter zu werden. Klassische Hierarchien hätten nicht zu unserer DNA gepasst. Also haben wir nach einem Modell gesucht, das zu uns und unseren Kunden passt und sind beim Spotify-Modell gelandet.

 

Was habt ihr davon übernommen?

Wir arbeiten mit Squads – das sind kleine, autonome Teams, die um Kundenprojekte organisiert sind. Mehrere Squads bilden einen Tribe, also eine logische Gruppe nach Plattform oder Kundentyp. Das Managementboard ersetzt die klassische Geschäftsführung, aktuell sind wir sechs Personen aus unterschiedlichen Bereichen. Entscheidungen treffen wir gemeinschaftlich, transparent und schnell.

 

Wie reagiert das Team auf dieses Modell?

Unterschiedlich. Einige blühen total auf, weil sie gestalten können. Andere vermissen die klassische Sicherheit. Wir machen viel transparent – auch die Zahlen. In unserem monatlichen Company Standup präsentieren wir alle Ergebnisse, auch wenn’s mal schlecht läuft. Das fordert, aber schafft auch Vertrauen.

 

Und wie passt da die Unternehmensnachfolge rein?

Wir wollen Blackbit nicht verkaufen, sondern übergeben. Unser Ziel ist, die Firma in den nächsten drei Jahren in die Hände der Mitarbeitenden zu geben – über ein Purpose-Modell. Wir arbeiten mit der Purpose-Stiftung zusammen, die uns hilft, eine passende Struktur zu finden. Kapital- und Stimmrechte sollen dabei getrennt sein.

 

Was genau bedeutet Purpose für euch?

Ein Unternehmen ist mehr als ein Profitmotor. Es hat eine Aufgabe in der Gesellschaft. Bei uns ist das: hochwertige digitale Lösungen mit einem Team, das auf Augenhöhe arbeitet. Purpose heißt, dass der Unternehmenszweck an erster Stelle steht – nicht der Gewinn.

 

Was sind die Vorteile einer Purpose-getriebenen Organisation?

Höhere Bindung, mehr Verantwortungsgefühl, bessere Teamarbeit, Investitionen auch in mittel- bis langfristige Projekte, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern (auch wenn die Profitabilität kurzfristig darunter leiden kann). Die Mitarbeiter arbeiten nicht nur für ein Gehalt, sondern auch für einen Sinn. Das verändert die Haltung. Und gerade im Mittelstand, wo viele Nachfolgen ungelöst sind, ist das ein super Weg.

 

Kann das auch bei großen Unternehmen funktionieren?

Klar! Die Carl Zeiss AG, die Globus Märkte und Bosch machen das schon. Der Schlüssel ist eine Organisation, die sich nah an der Wertschöpfung aufstellt. Unsere Matrixstruktur u.a. mit Tribes und Squads lässt sich auch auf Konzerne übertragen – wenn man bereit ist, Kontrolle abzugeben und auf Vertrauen zu setzen.

 

Wie geht ihr mit Konflikten oder Rückschlägen um?

Schnell scheitern, schnell lernen – fail fast. Wir sind ehrlich miteinander, sprechen Dinge an, korrigieren früh. Konflikte gehören dazu. Wichtig ist, dass das Team mitzieht und die Werte teilt. Das lernen neue Mitarbeitende gleich im Onboarding.

 

Was wünschst du dir von der Politik?

Eine eigene Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen, bekannt auch als „Verantwortungseigentum“. Es gibt viele Unternehmen wie unseres, die ihre Nachfolge regeln wollen, ohne zu verkaufen. Aber aktuell ist das steuerlich kompliziert. Da brauchen wir Unterstützung.

interview

Zukunft der Arbeit neu gedacht

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